Review vom 23.08.2008Hallöli,
vorausschicken möchte ich, dass ich zwar seit Jahrzehnten Musik mache, aber erst relativ kurze Zeit Bassist bin. Obwohl ich die allgemeine Qualität eines Instruments recht gut einsortieren kann, fehlen mir bei Sound und Bespielbarkeit von Bässen die langjähre Erfahrung und der Vergleich.
Alle Bilder zeigen übrigens meinen Aerodyne Bass.
Vorgeschichte - mein TraumbassVor über 25 Jahren bekam ich meine erste E-Gitarre von einem Bekannten. Die Les Paul Kopie hatte zwar zwei Pickups an Bord, ihr fehlten jedoch Potis und Verdrahtung.
Auf meiner Suche nach geeigneten Bezugsquellen für die Elektrik stieß ich auf den Teile- und Zubehörkatalog der Firma Rockinger. Bei den Hannoveranern bekam man damals individuell gefräste Gitarren- und Bass-Bodys, auf Wunsch mit furnierter Decke und aus den verschiedensten Hölzern. Diesen Katalog lernte ich geradezu auswendig und stellte mir immer wieder neue Traumgitarren und Traumbässe zusammen.
Meine Traumgitarre baute ich mir - soweit es das Geld zuließ - 1984/85 zusammen. Sie begleitet mich noch immer als meine Hauptgitarre. Der Traumbass von damals blieb ein Traumbass - auch wenn ich die Zusammenstellung nie vergaß.
Vorbild für meinen Traumbass war der Bass, den Dusty Hill (ZZ Top) im April 1980 im Rockpalast spielte; ein Edelbass auf Grundlage des Fender Precision Bass 51 (Tele-Bass).
Am liebsten hätte ich einen Bass mit Tele-Bass-Kopfplatte gehabt, der dennoch die schlanke Halsform eines Jazz Basses hat. Ein One-Piece-Maple-Neck (einteiliger Ahornhals) wäre erwünscht, aber kein Muss gewesen. Der Body sollte aus Esche sein und die Form eines Precision Basses haben; durchgehend flache Decke, mit furnierter Decke aus Zebrano oder Riegelahorn und cremefarbenen Bindings. Dazu eine PJ-Pickup Bestückung und verchromter Hardware.
Als ich im Sommer 2007 von der Gitarre auf den Bass umsattelte stellte sich mir die Frage, ob ich nun meinen individuellen Traumbass von damals realisiere, oder einen "Bass von der Stange" kaufe. Hätte es das Angebot der frühen 80er Jahre in Sachen Bass bei Rockinger noch gegeben, wäre meine Entscheidung für einen niedersächsischen Bass sonnenklar gewesen.
Bei Warmoth in den USA wollte ich mir keinen Bass zusammenstellen, da mich die Formulare, Garantiefragen und der Postweg abschreckten. Also ein Bass von der Stange? Ich suchte bei verschiedenen Anbietern, bis ich auf den Fender Aerodyne Bass stieß.
Die FaktenDer Fender Aerodyne Classic P-Bass Special Bass wird in Japan hergestellt; soweit ich gehört habe im Werk der Gitarrenschmiede Tokai. In deutschen Geschäften dürfte der Preis bei ca. 729 bis 750 Euro liegen.
Er ist ein viersaitiger Long Scale Bass mit 34" (864 mm) Mensur.
Ab Werk wird er mit 045/065/080/100er Fender Super 7250ML Saiten ausgeliefert.
Zu meiner Freude - und das war mit kaufentscheidend - hat man dem Aerodyne Precision Bass den schlankeren Jazz Bass Hals aus Ahorn mit 1,5" (38 mm) Sattelbreite und eingepflanzt. Der Hals hat ein C-Shape. In das Rosewood Griffbrett mit 20 Jumbobünden und 7,5" Radius sind Bundmarkierungen eingelassen, die Fender als "Aged Pearloid" bezeichnet. Auf der Rückseite befindet sich der klassische "Stinktierstreifen", durch den der Halseinstellstab eingebaut wurde. Die Einstellschraube mit metrischem Inbus befindet sich an der Kopfplatte. Der Hals ist bis auf die vordere Kopfplatte mit einem seidenmatten Polyurethan Finish lackiert - was von der Griffigkeit an geöltes und gewachstes Holz erinnert.
Der relativ leichte Body aus zwei Teilen Linde hat zwar in der Draufsicht die klassische P-Bass Form, fällt aber im Profil sowohl an Vorder- als auch Rückseite nach außen hin ab. Er hat lediglich auf der Rückseite eine dezente Bierbauchaussparung.
Die Decke aus zwei Streifen Riegelahorn (Flamed Maple Top) ist mit cremefarbigen Bindings eingefasst. Auch auf der Kopfplatte findet man Ahornfurnier, das im der Farbe des Bodys lackiert ist. Angeboten wird der Aerodyne P-Bass in den Farben "Crimson Red Transparent", "Blue Transparent" und "Natural" – was, wie man auf den Bildern sieht, am ehesten Bernstein entspricht. Der Body, wie auch die Vorderseite der Kopfplatte, sind mit glänzendem Polyurethan Klarlack überzogen.
Nimmt man das Pickguard ab, findet man keine großzügigen Ausfräsungen. Das Elektrikfach ist gerade einmal so groß (und tief), dass darin die Buchse und die Potis Platz haben. Den Einbau eines Push/Pull Potis kann man bei einer Tiefe von 19 bis 23 mm vergessen. Für den P-Bass Pickup wurde eine passende Ausfräsung eingebracht; die Kabel laufen in einem Kanal unter der Decke. Es wäre möglich, eine kleine Elektrikfachabdeckung herzustellen und das große Pickguard wegzulassen.
Als Besonderheit sein noch der "Flutschfinger" zu erwähnen - mehr dazu im Kapitel "Bespielbarkeit".
Die Mechaniken sind typisch Fender und auch der Steg kommt als einfacher verchromter Blechwinkel mit 4 Saitenreitern daher. Auf den Reglern sitzen die berühmten "Dome Speed" Knöpfe.
Zur Verstärkung wurden ein Precision Bass Pickup (8,66 k Ohm) in der Mittelposition und Jazz Bass Pickup (6,15 k Ohm) am Steg ein verbaut. Wie beim Jazz Bass finden wir einen Volumenregler für jeden Pickup, sowie einen Tonregler für beide Pickup zusammen. Auf der Decke befindet sich ein dreischichtiges, leicht grün schimmerndes P-Bass Pickguard. Mit der Jazz Bass Schaltung gibt es einen Regler mehr als beim klassischen P-Bass. Daher sitzt das Tone-Poti nun dort, wo normalerweise die Klinkenbuchse ist. Dadurch war es nötig, die 1/4" Klinkenbuchse in die Zarge des Bodys zu verlegen.
Als Potis wurden, anders als bei einigen Fender Instrumenten aus Mexiko und den USA keine 6,3 mm Potis und Knöpfe verbaut, sondern kleine Potis mit 6 mm Riffelachse. Große Potis hätte zumindest an der Position wo sonst die Klinkenbuchse sitzt keinen Platz gehabt. Alle drei Potis sind logarithmisch und haben einen Widerstand von 500 k Ohm.
AnsichtssacheSchönheit ist Ansichtssache - und Bässe mit Naturholz Finish gleichen sich nun mal nicht wie ein Ei dem anderen. Es gibt Aerodyne Bässe, bei denen die Maserung des Riegelahorn gröber, aber auch intensiver ist. Bei anderen ist sie etwas feiner oder schwächer. Mein Aerodyne Bass dürfte im Mittelfeld liegen. Je nach Blickwinkel ändert sich die Farbe der Tigerstreifen von tiefem Braun bis hin zu schimmerndem Gold.
VeränderungenDas mintfarbene Pickguard gefiel mir zwar, aber mit schwarzem Pickguard gefällt mir der Bass noch besser, da er etwas "rockiger" rüber kommt. Zudem nahm ich Veränderungen an der Elektrik vor.
Ich wollte zwar einen Bass mit zwei Pickups haben, aber die klassische Jazz Bass Schaltung hat mich schon immer gestört. Ich will zum wechseln nicht den einen Pickup auf und den anderen zu drehen. Zudem stört mich die "falsche" Verdrahtung der Volumenpotis beim Jazz Bass.
"Richtig" wäre es, wenn bei zugedrehtem Poti Hot mit Masse kurzgeschlossen wird. Beim klassischen Jazz Bass darf das aber nicht sein, da man beim Kurzschluss eines Pickups den anderen auch nicht mehr hören kann. Also vertauschte man zwei Drähte am Poti, damit die Schaltung funktioniert.
In das Austausch-Pickguard bohrte ich zwei 6,5 mm Löcher für zwei Minischalter. Der Schalter zwischen den beiden Volumenpotis ist ein kleiner Dreiwegschalter. Mit dem hinteren Schalter, den ich mehr aus kosmetischen Gründen einbaute, kann ich mit einer Fingerbewegung einen Kondensator parallel schalten, der genau dasselbe bewirkt, wie ein zugedrehter Tonregler. Im Grunde sind die drei Potis nur noch zur Feinregelung. Pickupwahl (Mitte, Mitte + Hals, Hals), sowie weg gedrehte Höhen kann ich nun auch schalten statt die Regler zu drehen. Man wird eben alt und faul.
Verarbeitung[Klischee] Man merkt, dass dieser Bass weder von ständig betrunkenen kleinen dunkelhaarigen Mexikanern, noch von überheblichen, selbstherrlichen Amis gebaut wurde. Hier waren fleißige, akkurat arbeitende Japaner am Werk, die das Wohl ihres Unternehmens über ihr eigenes Leben stellen.[/Klischee]
Nein; im Ernst. Der Bass ist erstklassig verarbeitet! Das gilt nicht nur für die klassische Problemstelle Hals-Korpus-Übergang, sondern auch für die fehlerfreien Bindings und alles andere. Zudem sind alle Verstellschrauben und die Potiachsen metrisch. Wer die mitgelieferten Inbusschlüssel verlegt, muss nicht erst in Spezialgeschäften zöllige Schlüssel finden. Die Bünde sind sauber eingesetzt und entgratet. Auch der Lack ist 1a aufgebracht.
Kritikpunkte liegen bei der Elektronik. Dass die Pickups selbst nach 50 Jahren noch nicht mit abgeschirmtem Kabel ausgestattet werden lässt einen darüber grübeln, ob Fender den Schlaf der Gerechten schläft. Ich liebe SingleCoils und bin der Meinung, dass sie ruhig etwas brummen dürfen - aber kann man nicht wenigstens die Kabel abschirmen? Gleiches gilt für die Kabel der gesamten Elektrik. Einfachste Litze. Hier habe ich bessere Abschirmung in 60 Euro Gitarren gesehen! Die Tochterfirma Squier kleidet ihre Elektrikfächer zumindest in der Standard-Serie mit Grafitlack aus. Warum kann Fender das nicht? Nicht einmal die Rückseite des Pickguards ist mit Folie beklebt.
HardwareDie Verchromung aller Teile ist vorbildlich vorgenommen worden.
Die Mechaniken arbeiten so, wie man es bei einem Instrument dieser Preisklasse erwartet. Der Steg ist ein "billiger" Blechwinkel. Das hat aber weniger mit Sparpolitik zu tun, sondern dient dem offenen Klang des Basses.
Unter Sparpolitik fallen allerdings die 08/15 Gurtpins. Hier hätte ich eindeutig mehr erwartet. Sie sind im Werk nicht einmal mit Filzplättchen unterlegt wurden. Egal; wie immer habe ich die Gurtpins gegen Schaller Security Locks ausgetauscht.
BespielbarkeitWie anfangs erwähnt, fehlt mir die jahrelange Bass-Erfahrung um ein objektives Urteil abzugeben. Daher bitte ich, die Abschnitte "Bespielbarkeit" und "Sound" als Wertungen eines Newbies einzuordnen.
Der relativ leichte Bass ist wunderbar austariert und in keinster Weise kopflastig.
Die "Bierbauchfräsung" auf der Rückseite fällt wesentlich kleiner als beim normalen Precision Bass aus. Das empfinde ich eher als positiv. Durch die Seitenneigung von Decke und Rückseite ist sie aber auch kaum nötig. Auf der Oberseite gibt es keine zusätzliche Armabschrägung. Daran musste ich mich kurz gewöhnen. Alles in allem empfand ich den Classic Aerodyne P-Bass auf Anhieb als bequem und "passend". Durch sein relativ geringes Gewicht kann man lange entspannt spielen.
Wie bereits erwähnt, hat dieser Precision Bass keinen Precision Hals! Wer den Hals des Jazz Bass Hals nicht mag, wird also auch den Aerodyne Hals nicht mögen. Wer jedoch, wie ich, bei der Vergabe langer Finger nicht laut genug "hier" geschrieen hat, wird den Hals lieben.
Für "fingertechnisch zu kurz gekommene" sei als Besonderheit noch der (meines Wissens von Rockinger erfundene) "Flutschfinger" erwähnt. Die Halshalteplatte ist nicht rechteckig, sondern hat - genauso wie der Body am Halsübergang - eine Abschrägung. Dadurch fällt es leichter in die hohen Lagen des Halses zu gelangen. Bei 20 Bünden mag man das als übertrieben betrachten - aber manchmal kommt es im Leben doch auch auf die Länge an.
Obwohl ich meinen Bass über einen sehr großen süddeutschen Händler online kaufte, waren Hals und Saitenlage sehr gut eingestellt. Auf dem wunderbar glatten Ahornhals rast man geradezu dahin. Ich musste am Anfang etwas aufpassen, dass ich nicht zu weit rutsche, da alles so leicht und einfach geht.
SoundIch bin noch nicht so lange Bassist und habe nur wenige Bässe angetestet. Zuhause habe ich noch einen 20 Jahre alten Fenix Precision Bass (mit 44 mm Sattelbreit) und einen Squier Standard Jazz Bass. Beide Vergleichsbässe klingen unverstärkt weniger höhenreich, "bauchiger", "cremig schwerer". Der Aerodyne klingt einiges frischer, offener und drahtiger. Dabei fehlt es ihm aber nicht am nötigen Punch. Mitten- und Bassanteile sind immer wohldosiert vorhanden und es drückt trotz luftigem Ton sehr gut. Gerade in den tiefen Lagen sind die Töne viel definierter und differenzierter als bei den anderen beiden Bässen.
Würde der Bass in Schweden gefertigt könnte man fragen: "Mulmst Du noch oder aerodynest Du schon?"
Dieses Bild setzt der Fender Aerodyne am Verstärker fort. Über mangelnden Bass oder Mitten kann ich mich nicht beklagen. Gerade der P-Bass Pickup drückt ordentlich. DEN P-Bass Sound liefert der Aerodyne vielleicht nicht hundertprozentig; er will aber auch keine 50s Precision Kopie sein, sondern ein Aerodyne. Ich hoffe, dass andere Aerodyne-Besitzer vielleicht mehr und qualifizierter über den Sound berichten können. Ansonsten hilft eigenes antesten.
FazitWas Form und Aussehen angeht entspricht der Fender Classic Aerodyne P-Bass Special weitestgehend dem Traumbass, den ich mir vor 25 Jahren ausdachte. Mit Bespielbarkeit und Sound bin ich voll zufrieden. Es gibt zwar winzige Kritikpunkte, die aber aufgrund des - in meinen Augen - hervorragenden Gesamteindrucks leicht zu verschmerzen sind.
Ein Bass für Leute, die klassische Fender Formen und passive Elektronik lieben, die aber dennoch etwas "Edles" oder Ausgefallenes suchen. Und nicht zuletzt ein Bass für P-Bass Freunde mit relativ kurzen Fingern oder Rückenproblemen.
Es dürfte relativ schwer werden den Aerodyne Bass "Natural" in Musikgeschäften zu finden. Er scheint nur in relativ kleinen Stückzahlen nach Deutschland zu kommen. Zumindest habe ich ihn nur in einem einzigen der großen Online-Musikgeschäfte gefunden - und zugeschlagen.
Fender Classic Aerodyne P-Bass Special
Mulmst Du noch oder aerodynest Du schon?
Gruß
Andreas